Der Wahlkampf in Deutschland ist laut, aber wenig substanziell: Statt die wirklichen Herausforderungen wie soziale Ungleichheit, fehlende Investitionen in Bildung und Infrastruktur, die fortschreitende Klimakrise oder eine humane Asyl- und Migrationspolitik anzugehen, werden komplexe Themen oft verkürzt und populistisch ausgeschlachtet. Damit spielen auch Politiker:innen demokratischer Parteien rechten und rechtsextremen Kräften in die Hände. Die eigentlichen Probleme geraten so in den Hintergrund, obwohl sie dringend nachhaltige Lösungen erfordern.

Deswegen haben wir, ein breites Würzburger Bündnis von Initiativen, Vereinen und Organisationen, in den vergangenen Wochen Forderungen an die Politik gesammelt. Sie spiegeln vielfältige Perspektiven unserer Stadtgesellschaft wider: von Arbeits- und Frauenrechten über Klimaschutz bis hin zu Fragen von Migration, Inklusion und Demokratiebildung. Unser gemeinsames Anliegen ist es, klarzustellen, dass populistische Schlagworte keine Antworten auf reale Probleme liefern. Wir erwarten substanzielle und langfristige Konzepte, die an den Bedürfnissen aller Menschen ausgerichtet sind und Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft überwinden. Wir verurteilen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Unterdrückung und fordern eine menschenrechtsbasierte Politik!

Wir laden alle Bundestagskandidat:innen ein, sich mit diesen Forderungen intensiv auseinanderzusetzen und Stellung zu ihnen zu beziehen. Dies ist umso wichtiger, nachdem am 29.1.2025 die Union zusammen mit FDP und BSW sich zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte mit Hilfe einer rassistischen, demokratie- und menschenfeindlichen Partei eine Mehrheit verschafft hat!

Aus ,,Nie wieder ist jetzt“ wurde ,,Nie wieder war gestern“. 

FORDERUNGSKATALOG

Jede der folgenden Forderungen liegt in der Verantwortung der jeweils einreichenden Organisation. Sie stellen nicht notwendigerweise die Position aller beteiligten Gruppen dar, zeigen jedoch, welche Themen große Teile der Würzburger Zivilgesellschaft bewegen.

Arbeitsgemeinschaft Würzburger Frauen & Frauenorganisationen e. V. (AWF)

    • Es sind vorwiegend Frauen, die sich um die Kinderbetreuung sowie um pflegebedürftige Angehörige kümmern und dafür ihren Beruf hintenanstellen. Wir fordern, dass familiäre Care-Arbeit gleichberechtigter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt und berücksichtigt wird.

    • Jede dritte Frau ist Opfer von körperlicher, verbaler und/oder sexueller Gewalt. Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem und muss als solches auch benannt und behandelt werden. Wir fordern ein klares Vorgehen gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

    • Das Recht frei über seinen Körper entscheiden können, ist existentiell für die sexuelle Selbstbestimmung jeder Frau. Wir fordern das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ein und auf ein Leben frei von Bevormundung.

Ausländer- und Integrationsbeirat Würzburg

    • Wir fordern, dass gegen alle Formen des Rechtsextremismus konsequent gehandelt werden muss, mit allen Mitteln, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen. Die Ächtung von Rechtsextremismus muss in unserer politischen Kultur tief verankert werden.

    • Wir fordern, dass Rassismus und Diskriminierung aus der Politik, Gesellschaft, Schule und Alltag verbannt werden. Ein konsequentes Monitoring – nicht nur kommunal, sondern auch landesweit – muss nämlich erfasst und publik gemacht werden.

    • Wir fordern, dass ⁠Integration zu einer finanziell unterstützen Pflichtaufgabe der Kommunen werden muss. Die Mehrsprachigkeit der Kinder mit Migrationsgeschichte muss honoriert und gefördert werden.

Bündnis Zukunftsklima

    • Einführung verbindlicher Bürger*innenräte, um demokratische Entscheidungen mit wissenschaftlicher Expertise und gesellschaftlichem Konsens zu vereinen.

    • Integration von Klimaschutz und Demokratiebildung in alle Bildungsbereiche, um ein gemeinsames Verständnis für nachhaltiges Handeln und Mitbestimmung zu schaffen.

    • Konsequente Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, die – entgegen anderer Behauptungen – bereits heute laut Wissenschaft von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit parteiübergreifend getragen werden!

DGB Unterfranken

    • Für eine starke Wirtschaft und den Erhalt von Arbeitsplätzen braucht es eine Abkehr von der Schuldenbremse und gezielte Investitionen und die Entlastung von Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bei Energiepreisen, während gleichzeitig die Klimaziele eingehalten werden.

    • Gute Arbeitsbedingungen hängen untrennbar mit guten Lebensbedingungen zusammen, deshalb brauchen wir mehr Mitbestimmung im Betrieb, die unbedingte Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und ein wirksames und unumgehbares Bundestariftreuegesetz.

    • Um gute Lebensbedingungen für alle zu schaffen, brauchen wir eine Verbesserung der Gesundheits- und Pflegeversorgung, dazu gehört langfristig eine Versicherung für alle, die Stabilisierung des Rentenniveaus und bezahlbares Wohnen z.B. durch die Schaffung von Azubi-Werken.

Evangelische Jugend Würzburg 

    • Demokratie stärken: Hetze und Ausgrenzung haben keinen Platz! Politische Bildung und Zivilcourage müssen gefördert, Extremismus klar bekämpft werden. Liebe deinen Nächsten – und ja, auch deinen Feind.

    • Chancen für alle: Bildung und Jugendarbeit gehören gestärkt, damit Herkunft oder Kohle nicht über Zukunft entscheiden. Jesus hat schließlich auch keinen Lebenslauf geprüft.

    • Weltoffenheit leben: Vielfalt ist ein Geschenk. Integration, Inklusion und Solidarität müssen selbstverständlich sein – kein Thema von gestern, sondern Auftrag für morgen!

Fridays for Future Würzburg

    • Keine Fabrik, kein Kraftwerk, keine Industrie darf mehr ohne klaren Plan für einen geordneten Ausstieg weiterlaufen. Deshalb fordern wir: Schluss mit Erdgas – klarer Plan für den Gas-Ausstieg bis 2035.

    • Superreiche feuern mit ihrem Lebensstil die Klimakrise besonders stark an, spüren aber kaum etwas von den Folgen. Deshalb fordern wir: Superreiche besteuern, damit sie ihren fairen Beitrag zur Transformation leisten.

    • Fossile Konzerne machen Milliardengewinne mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Deshalb fordern wir: Einen zentralen Fonds für Klimaanpassung und Katastrophenhilfe, finanziert durch eine Besteuerung fossiler Unternehmen.

Health for Future Würzburg

    • Hitze ist aktuell das größte klimawandel-bedingte Gesundheitsproblem in Deutschland. Wir fordern ein Bundesgesetz, das Kommunen verpflichtet, bis spätestens Frühling 2028 entsprechend ihrem Bedarf ausreichend kommunale Hitzeschutzräume vorzuhalten.  

    • Zur Förderung der Gesundheit der Menschen und des Planeten fordern wir verpflichtende Standards für eine gesunde und nachhaltige pflanzenbasierte Gemeinschaftsverpflegung anhand der DGE-Empfehlungen.

    • Eine Wende zur gesundheitlichen und umweltfreundlichen Ernährung soll durch die ausschließliche Einordnung von pflanzlichen Lebensmitteln in den ermäßigten Steuersatz von 7% gefördert werden. Darüber hinaus fordern wir einen 0% Steuersatz auf unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel.

Hermine e. V. 

    • Wir fordern eine klare Abgrenzung von rechter Hetze in der Politik und der Gesellschaft und stattdessen eine klare Positionierung für Solidarität, Engagement und Menschlichkeit.  

    • Wir fordern eine klare Positionierung für das Recht auf Asyl.

Jugend für Demokratie

    • Wir fordern Aufklärung und antifaschistische Bildung an Schulen. “Politische Neutralität” bedeutet nicht “unangenehme” Themen zu ignorieren und Faschismus freien Lauf zu lassen. Echte Schulen ohne Rassismus und mit Courage.

    • Wir fordern den Schutz von Minderheiten und echte Gerechtigkeit für Trans* Menschen, BIPocs und Menschen mit Behinderung. Dazu gehört Chancengerechtigkeit anstatt von Gleichheit und nachhaltige Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung bspw. an Schulen. 

    • Wir fordern eine stabile Brandmauer zu faschistischen Kräften und klare internationale Solidarität mit Betroffenen von Unterdrückung und Kriegen. Deutschland muss Verantwortung übernehmen, statt Ungerechtigkeit mitzufinanzieren.
Mirasol e. V. 
    • Zuwanderung als Chance: Geflüchtete und Migranten schneller in Arbeit bringen durch Lockerung von Arbeitsverboten, erleichterte Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Ausbau von Integrationskursen.
    • Aufenthaltsgesetz vereinfachen: Visumswechsel im Inland ermöglichen, um unnötige Ausreisen zu vermeiden. Beispiel: Ein Au-pair soll nach einem Jahr bleiben dürfen, ohne das Land für ein neues Visum verlassen zu müssen.

    • Institutionellen Rassismus abbauen: Rassistische Diskriminierung im Strafgesetzbuch definieren, um konsequente Verfolgung zu gewährleisten. Diskriminierungsfreier Zugang zur Justiz durch spezialisierte Ansprechpartner und Dolmetscherpflicht bei mangelnden Sprachkenntnissen.

ÖKOPAX e.V.

    • Wir fordern die Politiker*innen auf, weder die Stationierung von US – Mittelstreckenwaffen in Deutschland zuzulassen noch die Entwicklung eigener europäischer Mittelstreckenwaffen. Beides untergräbt unsere Sicherheit.

    • Wir treten ein für neue Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung im Rahmen eines europäischen Sicherheitskonzeptes. Zivile und diplomatische Mittel müssen Vorrang haben vor militärischen. Der Rüstungsetat darf nicht auf 3,5% des BIP (über 150 Mrd.) erhöht werden.

    • Wir fordern, dass unsere künftige Regierung dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt und die Stationierung von Atomwaffen auf unserem Staatsgebiet beendet.

Omas gegen Rechts Würzburg 

    • ⁠Generationengerecht handeln: Wir fordern eine Politik, die Klima- und Umweltschutz als unverhandelbar setzt, damit heutige und zukünftige Generationen in einer lebenswerten Welt aufwachsen können.

    • ⁠Soziale Sicherheit stärken: Wir fordern einen gerechten Umgang mit Ressourcen sowie faire Sozial- und Rentensysteme, damit jede Generation auf eine sichere Zukunft vertrauen kann – unabhängig von Herkunft oder Alter.

    • ⁠Demokratie bewahren: Wir fordern eine starke Gesellschaft, die konsequent auch mit Parteiverboten gegen Rechtsextremismus eintritt und unseren Kindern ein Leben in Toleranz, Frieden und Menschenwürde ermöglicht.

Queer Pride Würzburg e. V.

    • Grundgesetz für alle: Queere Menschen brauchen endlich eine explizite Erwähnung im Grundgesetz! In Anbetracht steigender Anfeindungen fordern wir die längst überfällige Ergänzung von Artikel 3 GG um die sexuelle Identität. 

    • Schützt queere Räume: Queere Menschen erleben im Alltag wieder vermehrt eine Vielzahl an Diskriminierungen. Sie finden vor allem in unseren eigenen Community- und Beratungsstrukturen Hilfe und erste Anlaufpunkte. Wir fordern, unsere Strukturen abzusichern und dieses Engagement zu unterstützen.

    • Hasskriminalität bekämpfen: Fast täglich spüren queere Menschen Hass und Hetze im Internet oder werden auf offener Straße Opfer von Gewalt. Die Bundesregierung muss alle queeren Menschen schützen und Hasskriminalität verhindern

Sea-Eye Würzburg

    • Ende der Kriminalisierung der Seenotrettung – um weiterhin Menschenrechte zu gewährleisten und durch die Rettung aus Seenot schützen zu können.

    • Sichere Häfen für Rettungsschiffe und Etablierung eines dauerhaften und effektiven Verteilungsmechanismus. Wir fordern mehr Verantwortung und Solidarität mit den Mittelmeeranrainerstaaten.

    • Beendigung der finanziellen Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache – denn diese fängt Menschen auf dem Mittelmeer ab und bringt sie zurück ins Bürgerkriegsland Libyen. Dort drohen Haft, Folter und Tod. MAN LÄSST MENSCHEN NICHT ERTRINKEN! PUNKT! 

Seebrücke

    • Wir fordern sichere und legale Einreisemöglichkeiten. Alle demokratischen Parteien fordern wir auf, sich gegen inhumane und illegale Pushbacks von Flüchtenden an den EU-Grenzen auszusprechen und sich für humanitäre Aufnahmeprogramme einzusetzen.

    • Die Kriminalisierung von Schutzsuchenden und Seenotretter*innen muss aufhören. Wir fordern die Politik auf, Verantwortung für das vorsätzliche Sterben von Flüchtenden auf dem Mittelmeer zu übernehmen und stattdessen bedingungslose Solidarität zu zeigen.

    • Statt einer Migrationspolitik, die sich rechter Narrative bedient und Migration als Sündenbock für gesellschaftliche Probleme darstellt, fordern wir ein aktives Widersetzen gegen rechte Hetze und eine solidarische, menschenrechtsbasierte Politik.

Würzburg Solidarisch

    • Abschiebungen verhindern keine Gewalt! Anstatt Gewaltakte zu instrumentalisieren, fordern wir eine bessere psychosoziale Versorgung für Geflüchtete und die adäquate Betreuung sowie Unterstützungsangebote für ausnahmslos alle psychisch vulnerablen Menschen.

    • Wir wollen in einer solidarischen Gesellschaft leben, an der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können. Anstatt Geflüchtete auszugrenzen, fordern wir eine politische Kehrtwende hin zu mehr Inklusion und der Anerkennung von Migration als Menschenrecht.

    • Wir fordern die Abschaffung der diskriminierenden Bezahlkarte für Geflüchtete. Anstatt rechtspopulistischer Symbolpolitik braucht es einen uneingeschränkten Zugang zu Bargeld, der mit menschlichen Grundrechten auf Freiheit und Selbstbestimmung vereinbar ist.

Einzelforderungen von Menschen mit religiöser Perspektive 

    • „Ich als Muslim fordere von der Politik, dass sie die Gleichberechtigung aller Menschen fördert und Diskriminierung in jeglicher Form entschieden bekämpft.“

    • „Ich als Muslim fordere von der Politik, dass sie die Bedürfnisse von Minderheiten ernst nimmt und integrative Maßnahmen ergreift, um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.“

    • „Im Sinne der Lehren der Bahá’í-Religion wünsche ich von der Politik, dass sie die Achtung der Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung dieser Erde als Lebensraum für alle fördert.“

    • „Heute ist ein Schabbat – da ‚erzähle‘ ich HaShem, also Gott, in der Synagoge von meinen Sorgen und Wünschen. Ich wünsche mir, dass Aufklärung und Information über jüdische Werte und jüdisches Leben fester Bestandteil im Lehrplan wird.“

    • „Ich wünsche mir, dass die Menschen mehr über das Judentum lernen – Vorurteile werden von Generation zu Generation weitergegeben und Hetzparolen werden einfach nachgeplappert. Das muss sich ändern, das ist mein Wunsch.“

    • „Ich erwarte von den Verantwortlichen in den demokratischen Parteien, dass sie dem Anspruch des Grundgesetzes gerecht werden: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.‘ (Art. 1 Abs. 1 GG)“ (Burkard Hose)